Kulturkampf 1871-1887

Unter dem Kulturkampf wird die Auseinandersetzung zwischen Preußen bzw. Deutschland und der katholischen Kirche zwischen 1871 bis 1887 verstanden.

Eine bedeutende Rolle spielte dabei Otto von Bismarck.

Was war der Kulturkampf?

Schon bald nach der Reichsgründung Deutschlands im Januar 1871 setzte ein Konflikt zwischen dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck und Papst Pius IX. (1892-1878) ein, der die römisch-katholische Kirche vertrat.

Dabei hatte der Papst das Ziel, wieder mehr Einfluss der Kirche auf wichtige gesellschaftliche Sparten wie Politik, Kultur und Wissenschaft zu gewinnen.

Vom Klerus wurden Religionsfreiheit und das Trennen von Staat und Kirche entschieden abgelehnt.

Ein wichtiger Verbündeter im Deutschen Reich war die Zentrumspartei, die sich für das Ansinnen der Kirche einsetzte.

Von Bismarck wurde dieses Vorgehen jedoch als Gefahr für die Einheit des Deutschen Reiches angesehen.

Aus diesem Grund startete er im Jahr 1871 mehrere Maßnahmen gegen die Kirche, die als „Kulturkampf“ in die Geschichte eingingen.

Gründe für den Kulturkampf

Im Mittelalter war es selbstverständlich gewesen, dass die Kirche Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Bildung nahm.

Durch den Absolutismus und die Aufklärung bröckelte die Macht der Kirche im 17. und 18. Jahrhundert jedoch in zunehmendem Maße, und es setzte die Säkularisierung ein.

Im Rahmen der Aufklärung entstanden auch der Liberalismus und der Sozialismus. Die katholische Kirche geriet dadurch mehr und mehr in die Defensive.

Beginn der Auseinandersetzung

Begonnen hatte der Konflikt zwischen Kirche und Staat bereits 1864. In diesem Jahr reagierte Papst Pius IX. auf den Liberalismus, den er als Gefahr für die katholische Kirche ansah.

So brachte er eine Liste heraus, die moderne Irrlehren und Irrtümer enthielt, die dem Glaubensbekenntnis der römisch-katholischen Kirche schadeten. Dazu zählte auch der Sozialismus. Noch größer wurde die Gefahr für die Kirche von Pius IX. durch den Liberalismus eingestuft.

Aufgrund dieser Aktivität der Kirche setzte in mehreren liberalen europäischen Ländern ein Konflikt ein, der sich auch auf Deutschland ausweitete.

Darüber hinaus ließ die katholische Kirche 1870 erklären, dass der Papst unfehlbar sei, was als Unfehlbarkeitsdogma bezeichnet wurde.

Dieser Vorstoß wurde von den meisten liberalen Europäern abgelehnt.

Vor allem Otto von Bismarck gehörte zu den schärfsten Kritikern des Unfehlbarkeitsdogmas.

Bismarck hatte der Einmischung der Kirche in Staatsangelegenheiten von jeher ablehnend gegenübergestanden und wollte, dass sich der Klerus aus den Staatsgeschäften heraushalte.

Darüber hinaus war das Deutsche Reich größtenteils protestantisch geprägt.

Allerdings diente die Zentrumspartei in Deutschland als Sprachrohr der katholischen Minderheit, und Bismarck befürchtete, dass seine Position in den mehrheitlich katholischen Reichsteilen geschwächt würde.

Um seine Position zu sichern, sah sich der Eiserne Kanzler gezwungen zu reagieren.

Eskalation

Als die Kirche 1871 forderte, Kirchenkritiker aus den Schulen und Universitäten zu entfernen, kam es zur Eskalation des Kulturkampfes.

Geprägt wurde dieser Begriff von dem angesehenen Pathologen Rudolf Virchow (1821-1902), der der liberalen Deutschen Fortschrittspartei angehörte.

Die Liberalen sahen die römisch-katholische Kirche als Feind an.

Die Kirche ging jedoch noch weiter. So förderte sie in den östlichen Reichsgebieten im Religionsunterricht die polnische Sprache anstelle der deutschen.

Bismarck befürchtete, dass die Kirche nationalistische Bestrebungen in den polnischen Gebieten, die seinerzeit zu Preußen gehörten, anrege.

Auch die Zentrumspartei stufte der Kanzler als schädlich für das Reich ein, da er sie als verlängerten Arm des Papstes betrachtete.

Aus diesem Grund ging er mit einem klaren Maßnahmenpaket gegen die Kirche vor.

So wurde zunächst die katholische Abteilung, die als Interessenvertretung der Katholiken in Preußen diente, abgeschafft.

Des Weiteren schuf Bismarck im Dezember 1871 den sogenannten „Kanzelparagraphen“.

In diesem Reichsgesetz wurde den Geistlichen eine Gefährdung des öffentlichen Friedens untersagt. Missbrauchten die Priester ihr Amt für politische Äußerungen, konnten sie mit Gefängnis bestraft werden.

In der Tat wurden bis zum Ende des Kulturkampfes 1800 katholische Geistliche inhaftiert.

Außerdem beschlagnahmte der Staat Kircheneigentum im Wert von 16 Millionen Goldmark.

Weitere Maßnahmen Bismarcks

Im Jahr 1872 brach Bismarck die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan ab.

Außerdem ordnete der Reichskanzler an, dass die Schulaufsicht allein dem Staat unterstand.

Auch der Jesuitenorden wurde mit einem Verbot belegt.

In den sogenannten Maigesetzen des Jahres 1873 kam es zum Beschluss, dass sich die Priester einer staatlichen Abschlussprüfung unterziehen mussten.

Ferner konnte der Staat ein Veto gegen die Vergabe von Priesterämtern einlegen.

Darüber hinaus wurden bis 1878 zahlreiche katholische Geistliche entlassen.

In Preußen kam es 1874 zur Einführung der Zivilehe. Das bedeutete, dass vor dem Gesetz nur noch Eheschließungen gültig waren, die auf dem Standesamt erfolgten. Erst nach einer standesamtlichen Trauung durfte das Paar kirchlich heiraten.

Das Gesetz galt zunächst nur für Preußen, wurde dann aber auf das gesamte Reich ausgeweitet.

Im April 1875 folgte das sogenannte „Brotkorbgesetz“, in dessen Rahmen der Staat der Kirche sämtliche Zuwendungen entzog.

Noch im gleichen Jahr wurden in Preußen mit dem „Klostergesetz“ die Klostergenossenschaften aufgelöst. Davon ausgenommen waren lediglich Klöster, die Krankenpflege betrieben.

Bismarck und die Zentrumspartei

Zu Bismarcks größten Gegnern während des Kulturkampfes gehörte die 1870 gegründete Zentrumspartei, bei der es sich um eine konservative katholische Partei handelte.

Diese hatte 1871 bei den Reichstagswahlen auf Anhieb den Einzug ins Parlament als zweitstärkste Kraft geschafft und entzog sich dem Einfluss des Reichskanzlers.

Außerdem war der Einfluss des katholisch-bürgerlichen Lagers durch die Zentrumspartei gesunken.

Bismarck betrachtete vor allem Ludwig Windthorst (1821-1891), einen der wichtigsten Politiker des Zentrums, als persönlichen Gegner.

So stieg der fähige Redner im Reichstag zum parlamentarischen Gegenspieler des Eisernen Kanzlers auf, ohne dass er offiziell ein Fraktionsamt ausübte.

Durch verschiedene Maßnahmen legte Bismarck Windthorst immer wieder Steine in den Weg.

Windthorst konterte während des Kulturkampfes u. a. mit der Forderung nach einer religiösen Basis für das Schulwesen.

Die schon seit Jahrzehnten bestehende Rivalität zwischen Bismarck und Windthorst trat durch den Kulturkampf offen zutage.

Für Bismarcks Seelenleben war der katholische Politiker sogar von höchster Bedeutung. So erklärte der Reichskanzler 1875, dass sein Leben durch zwei Dinge verschönert werde – durch seine Frau für die Liebe und durch Windthorst für den Hass.

Nicht selten hatte Bismarck jedoch Mühe, die Angriffe des Zentrumspolitikers erfolgreich abzuwehren

Attentat auf Bismarck

Bismarcks unnachgiebige Haltung im Kulturkampf hatte sogar ein Attentat auf ihn zur Folge.

Als sich der Eiserne Kanzler am 13. Juli 1874 in Bad Kissingen mitten in einer jubelnden Menge befand, eröffnete der katholische Handwerker Eduard Kullmann (1853-1892) das Feuer mit einer Pistole auf ihn, da er ihn als Urheber des Kulturkampfes ansah und deshalb töten wollte.

Bismarck kam jedoch mit einer leichten Handwunde davon, und der Attentäter wurde rasch ergriffen.

Kullmann musste für viele Jahre ins Zuchthaus.

Bismarcks Front nicht einheitlich

Nicht alle protestantischen Politiker folgten Bismarcks harter Linie gegen die katholische Kirche, da sie befürchteten, dass auch die evangelische Kirche ihre Privilegien einbüßen würde.

Außerdem sahen sie die Gefahr, dass es zu einem allgemeinen Vorgehen gegen die Religion kommen könne. Daher stimmten sie bei den entsprechenden Gesetzesvorlagen gegen den Reichskanzler oder enthielten sich zumindest der Stimme.

Bismarcks Vorgehen hatte vor allem in Preußen eine deutliche Schwächung der römisch-katholischen Kirche zur Folge.

Dennoch konnte Bismarck nicht von einem klaren Sieg sprechen, da er nicht alle seine politischen Ziele erreichte.

Endphase des Kulturkampfes

Ab 1878 neigte sich der Kulturkampf allmählich seinem Ende zu.

Bismarck war es in dessen Verlauf nicht gelungen, all seine gesteckten Ziele zu erreichen.

So wurde der Katholizismus in Deutschland nicht gespalten, und die Zentrumspartei stieg bis 1881 sogar zur stärksten Fraktion im Reichstag auf.

Schließlich brachte der Eiserne Kanzler auch viele seiner eigenen Unterstützer gegen sich auf.

Beispielsweise sprachen sich die konservativen Protestanten ebenfalls gegen die Zivilehe aus. Gleiches galt für die staatliche Schulaufsicht.

Die Liberalen betrachteten Bismarcks Vorgehen als Gefahr für die Grundrechte.

Da Bismarck zumindest einige seiner politischen Ziele erreicht hatte, war er nun bereit für eine Einigung mit den Vertretern der Kirche.

Darüber hinaus brauchte er dringend Stimmen für das geplante Sozialistengesetz, wozu vor allem die Liberalen wichtig waren.

Als Papst Pius IX. im Februar 1878 starb, trat Leo XIII. (1810-1903) dessen Nachfolge an, der sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger aufgeschlossener zeigte.

In den folgenden Verhandlungen erreichte er Abmilderungen der harten Gesetze.

Schließlich setzten Preußen und der Vatikan ab 1882 ihre diplomatischen Beziehungen fort.

Mit den Friedensgesetzen, deren Verabschiedung 1886 und 1887 erfolgte, ließ sich der Konflikt beilegen, und der Kulturkampf war vorüber.

Am 23. Mai 1887 wurde er von Leo XIII. öffentlich für beendet erklärt. Nach Ansicht des Papstes hatte er „der Kirche geschadet und dem Staat nichts genutzt“.

Folgen des Kulturkampfes

Nach Ende des Kulturkampfes hob Bismarck die meisten antikatholischen Gesetze wieder auf.

So durften die verbotenen Klöster wieder betrieben werden.

Auch das staatliche Prüfen von geistlichen Berufen gehörte der Vergangenheit an.

Ebenso fand die Wiederherstellung der Disziplinargewalt von Papst und Bischöfen statt.

Von Bestand waren jedoch die Zivilehe sowie die staatliche Schulaufsicht.

Auch das Verbot des Jesuitenordens blieb bis 1917 gültig.

Der Kanzelparagraph fand sogar erst 1953 in der Bundesrepublik Deutschland sein Ende.

Grundsätzlich hat der Kulturkampf sehr zur Trennung zwischen Kirche und Staat in Deutschland beigetragen.

Otto von Bismarck war klar geworden, dass sich der Einfluss der Kirche so schnell nicht brechen ließ.

Außerdem brauchte er in Zukunft die konservative Zentrumspartei, um seine Politik weiterhin verfolgen zu können, da die Zusammenarbeit mit den Liberalen immer schwieriger wurde.

Es fiel Bismarck jedoch nicht schwer, seine politische Vorgehensweise anzupassen, wenn es ihm Nutzen brachte.

Zu Bismarcks Vorteil erwies sich der preußenkritische Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst nicht als Fanatiker, sondern als pragmatischer Politiker, was dem Eisernen Kanzler neue politische Perspektiven eröffnete.